Beschaffung
Lieferkette (GRI 2-6)
Geberit weist eine Produktion mit hoher Fertigungstiefe auf, d. h. eingekaufte Materialien sind mehrheitlich Rohmaterialien und Halbfabrikate mit hohem Rohmaterialanteil. Daraus resultiert ein relativ geringer Anteil von Materialkosten am Nettoumsatz von Geberit. Die Verfügbarkeit von Materialien wird durch eine umsichtige und stark regional/lokal ausgerichtete Beschaffungsstrategie, institutionalisierte Einkaufsprozesse und einen starken Fokus auf eine partnerschaftliche Lieferantenbeziehung sichergestellt. Mit diesem Ansatz können auch mögliche akute physische Risiken durch den Klimawandel minimiert werden, siehe auch TCFD Reporting.
Die von Geberit beschafften Rohmaterialien und Halbfabrikate stammen hauptsächlich von Lieferanten aus Westeuropa (84,2% des Einkaufswerts). Der Anteil des Einkaufsvolumens aus Osteuropa beträgt 6,4%, aus Asien 8,3%, aus Amerika 0,9% und aus Afrika 0,2%. Die hohe Fertigungstiefe sowie der sehr hohe Anteil westeuropäischer Lieferanten haben zur Folge, dass das allgemeine Risikoprofil der Lieferkette hinsichtlich Umwelt- und Sozialrisiken verhältnismässig gering ist.
Geberit beschaffte im Jahr 2023 Rohmaterialien (29,4%), Halbfabrikate (43,6%) und Fertigprodukte (27,0%) mit einem Einkaufswert von CHF 882,7 Mio. (Vorjahr CHF 1 136,1 Mio.) von weltweit 1 603 Lieferanten.
Geberit führt keine Konfliktmineralien (Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold) in die EU oder die Schweiz direkt ein oder verarbeitet diese und gilt damit nicht als einführende Organisation im Sinn der EU-Verordnung 2017/821 bzw. Art. 964j ff. des Schweizerischen Obligationenrechts. Werden Produkte, die solche Metalle enthalten, in die USA geliefert, gelten die Vorschriften des Dodd-Frank Act (Sec. 1502).
Managementansatz Beschaffung
Über die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen verantwortet Geberit soziale, ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen in der vorgelagerten Wertschöpfungskette. Durch die Geschäftstätigkeit der Lieferanten entstehen indirekte Umweltauswirkungen (Scope 3-Emissionen). Durch ein effektives Management der Vorgaben für Lieferanten zu Umwelt- und Sozialkriterien beeinflusst Geberit die Einhaltung der Umweltgesetze und der Menschenrechte und passender Arbeitsbedingungen. Risiken umfassen den Reputationsverlust bei Umwelt- oder Menschenrechtsverstössen, mögliche neue regulatorische Herausforderungen bezüglich Umwelt- und Sozialkriterien, reduzierte Planungssicherheit sowie das Risiko von rechtlichen Konsequenzen und Strafzahlungen. Chancen liegen in der Stärkung der Resilienz der Lieferkette durch enge Zusammenarbeit und in Kosteneinsparungen durch optimierte Ressourcennutzung, die durch nachhaltige Lieferkettenpraktiken erzielt werden können.
Der zentrale Bereich Corporate Purchasing ist für die Beschaffung in allen Produktionswerken weltweit zuständig und führt die Beschaffungsorganisation durch ein Team von Lead Buyern, die für verschiedene Warengruppen strategisch verantwortlich sind. Seit dem Berichtsjahr gibt es eine neue Funktion für den Bereich Nachhaltigkeit und Compliance. Diverse Veränderungen im Umfeld von Geberit erhöhen die Anforderungen an die Beschaffung laufend. Aus diesem Grund hat das Unternehmen 2021 eine neue Beschaffungsstrategie formuliert. Diese sieht eine ganzheitliche Betrachtung (Total Value of Ownership) der Lieferanten u. a. auch hinsichtlich Nachhaltigkeit vor. Zudem wurden neue Gesetze für ein verantwortungsvolles Beschaffungswesen v. a. in der Schweiz und in Deutschland (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, LkSG) entwickelt. Daraus ergeben sich für Unternehmen verbindliche einschlägige Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten hinsichtlich ihrer Lieferkette. Geberit verfolgt diese Entwicklungen sorgfältig und hat im Berichtsjahr verschiedene Massnahmen umgesetzt, die sich aus der im Jahr 2022 durchgeführten Analyse der regulatorischen Lieferkettensorgfaltspflichten in der Schweiz und in der EU ableiten. So wurde beispielsweise die Zugänglichkeit der Geberit Integrity Line für Lieferanten erleichtert. Zudem zeigte ein Abgleich mit dem UNICEF-Index für Rechte von Kindern am Arbeitsplatz, dass Geberit von Lieferanten aus Ländern mit einem erhöhten Risiko einkauft. Deshalb prüfte Geberit, ob es Verdachtsmomente zu Kinderarbeit bei den Lieferanten mit höherem Risiko gab. Geberit geht seit vielen Jahren, unabhängig von gesetzlichen Forderungen, der Sorgfaltspflicht im Rahmen eines risikobasierten Lieferantenmanagements nach. Dieses Risikomanagement ist seit 2007 etabliert und wurde in den letzten Jahren stetig ausgebaut.
Lieferanten von Geberit sind zur Einhaltung umfassender Standards verpflichtet. Grundlage für die Zusammenarbeit ist der Verhaltenskodex für Lieferanten, der in 15 Sprachen verfügbar ist und 2017 mit einer Integrity Line für Lieferanten ergänzt wurde. Der Kodex orientiert sich u. a. an den Prinzipien des UN Global Compact, an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und an der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. Der Verhaltenskodex ist für alle Lieferanten bindend. Dazu gehören sogenannte direkte Lieferanten von Rohmaterialien, Halbfabrikaten und Fertigprodukten sowie indirekte Lieferanten wie z. B. von Dienstleistungen, Logistik, Unterhalt, Infrastruktur und Anlagen. Der Kodex umfasst konkrete Vorgaben zur Qualität und zur Einhaltung von ökologischen, arbeitsrechtlichen und gesellschaftlichen Anforderungen und gibt die Einhaltung der Menschenrechte vor. Der Lieferant muss auf Verlangen von Geberit entsprechende Dokumentationen anfertigen, um die Einhaltung der Vorgaben des Verhaltenskodex auf Anfrage von Geberit nachzuweisen und diese jederzeit zur Verfügung stellen zu können. Bei Nichterfüllung der in diesem Kodex festgelegten Verpflichtungen werden Verbesserungsmassnahmen ergriffen. Eine Nichterfüllung seitens des Lieferanten wird als erhebliches Hindernis für die Weiterführung der Geschäftsbeziehung gewertet. Für den Fall, dass der Lieferant diese Nichterfüllung nicht korrigiert, kann Geberit die Zusammenarbeit beenden. Bei der Beurteilung der Lieferanten wird grösstmögliche Transparenz angestrebt. Alle neuen und bestehenden Partner werden daher in standardisierten Prozessen nach denselben Kriterien bewertet: Gesamtunternehmen, Qualität, Nachhaltigkeit, Preis, Beschaffungskette, Liefertreue, Produktion und Technologie. In der Regel ist ein Qualitätsaudit inklusive Abklärungen zu Umwelt- und Arbeitssicherheitsthemen Bestandteil bei der Auswahl eines Lieferanten. Zeigen sich bei diesen Kriterien Ungereimtheiten, wird zusätzlich ein vertieftes Audit durchgeführt.
Das Lieferantenmanagement beinhaltet u. a. ein Risikomanagement zu Umwelt- und Arbeitssicherheits- sowie Menschenrechtsthemen (inklusive Kinderarbeit). Dabei wird ein Lieferant basierend auf dem Produktionsstandort (Land) und dem Risiko der Warengruppe (Art des Produktionsprozesses) einer Risikoklasse zugeordnet. Lieferanten der höchsten Risikoklasse haben sowohl bezüglich des Produktionslandes als auch der Art des Produktionsprozesses ein erhöhtes Risiko. 2017 wurden die durch die Akquisition des Keramikgeschäfts neu hinzugekommenen Lieferanten und Warengruppen systematisch bewertet und ins Risikomanagement aufgenommen. Zudem wurde die Risikoeinstufung der bereits bestehenden Warengruppen überprüft und die Einstufung wird seither jährlich aktualisiert. Im Berichtsjahr wurden 168 Lieferanten (Vorjahr 167) in der höchsten Risikoklasse identifiziert, was rund 6% des Einkaufswerts (Vorjahr 7%) von Geberit entspricht. In Zukunft sollen auch die indirekten Lieferanten in die Risikoanalyse und die Erfassung der CO2-Emissionen (Scope 3) aufgenommen werden.
Für die Lieferanten der höchsten Risikoklasse erfolgt eine systematische Planung und Durchführung von Audits. Um die Neutralität sowie das für die Prüfungen benötigte Wissen sicherzustellen, wird auch mit einem externen Partner kooperiert. Dieses seit Jahren durchgeführte Verfahren hat sich bewährt und ist ein wichtiger Beitrag zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette von Geberit. Im kommenden Jahr sollen die durchgeführten Qualitäts- und EHS-Audits ins intern entwickelte Audit-Tool aufgenommen werden. Dies vereinfacht die Nachverfolgung der Massnahmen und Überprüfung der Wirksamkeit.
Nebst diesem risikobasierten Ansatz soll ein Konzept zur verstärkten Zusammenarbeit mit Lieferanten in den Bereichen Compliance und zur Reduktion der CO2-Emissionen (Scope 3) inklusive Zieldefinition erarbeitet werden. Im Berichtsjahr wurden eine vertiefte Analyse bezüglich Alternativen zu Rohmaterialien im Bereich Kunststoff und Metall durchgeführt sowie die Datenverfügbarkeit bezüglich CO2-Emissionen evaluiert. Zudem fand an zwei Supplier Days mit den wichtigsten Lieferanten ein Austausch zum Thema Nachhaltigkeit statt. Die teilnehmenden Lieferanten repräsentierten rund 75% der CO2-Emissionen (Scope 3).
Neue Mitarbeitende im Bereich Beschaffung werden zudem im Rahmen von Schulungen mit dem Prozess der nachhaltigen Beschaffung vertraut gemacht und Nachhaltigkeit ist Teil des jährlichen Beurteilungsgesprächs. Des Weiteren finden regelmässige Schulungen der Lead Buyer zu Beschaffung und Nachhaltigkeit sowie die Teilnahme in einer Arbeitsgruppe des UN Global Compact zu nachhaltigen Lieferketten statt.
Für weitere Informationen siehe Berichtsteil > Lagebericht der Konzernleitung > Geschäftsjahr 2023 > Beschaffung.
Prüfung neuer Lieferanten anhand von Nachhaltigkeitskriterien (GRI 308-1, GRI 414-1)
Alle neuen Lieferanten verpflichten sich zur Einhaltung des Verhaltenskodex für Lieferanten und damit zur Einhaltung von internationalen Standards zu Umweltschutz, Arbeitspraktiken und Menschenrechten. Der Kodex orientiert sich u. a. an den Prinzipien des UN Global Compact, an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und an der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. Bis Ende 2023 haben insgesamt 3 745 direkte und indirekte Lieferanten den Verhaltenskodex unterzeichnet, womit über 90% des gesamten Einkaufswerts abgedeckt sind. Für 2024 ist die Einführung eines angepassten Prozesses für globale Grossunternehmen geplant.
Im Verhaltenskodex für Lieferanten verpflichten sich die Lieferanten, wo sinnvoll und möglich, sich aktiv dafür einzusetzen, dass auch ihre Zulieferer bzw. Sublieferanten den Verhaltenskodex einhalten. Geberit kann von einem Lieferanten explizit verlangen, dass dieser Kodex auch von ausgewählten Zulieferern eingehalten wird. Bei der Überprüfung der Lieferanten wird auch die Analyse der wichtigsten Zulieferer bzw. Sublieferanten von ihnen miteinbezogen. Geberit strebt eine partnerschaftliche Lieferantenbeziehung an, bei der die Nachhaltigkeitsrisiken in der Lieferkette gemeinsam analysiert und minimiert werden.
Die 2017 eingeführte Integrity Line gibt Lieferanten die Möglichkeit, anonym Verstösse gegen den Verhaltenskodex durch Geberit Mitarbeitende oder durch Mitbewerber zu melden. Die für die Benutzer kostenlose Hotline wird in elf Sprachen von einem unabhängigen Dienstleistungsunternehmen betrieben. Verstösse lassen sich auch online über die Geberit Website melden. Im Jahr 2023 wurde kein Verstoss gegen die Verhaltensleitlinien des Lieferantenkodex gemeldet.
Auswirkungen in der Lieferkette hinsichtlich Nachhaltigkeit (GRI 308-2, GRI 414-2)
2023 wurden in China, in Indien, Slowenien und der Türkei fünf Third-Party-Audits bei Lieferanten mit erhöhtem Risiko durchgeführt. Die im Verhaltenskodex für Lieferanten festgehaltenen Verpflichtungen wurden mehrheitlich eingehalten. Bei Abweichungen wurden entsprechende Korrekturmassnahmen vereinbart.
Die Analyse zu Kinderarbeit bei Lieferanten mit erhöhtem Risiko ergab keine begründeten Verdachtsmomente.